Pädagogische Ideen können eine erstaunlich explosive Kraft entwickeln und sich verbreiten. Aber damit sie landen und Wurzeln schlagen können, muss ihnen der Boden bereitet werden. Es muss den Willen geben, das Neue anzunehmen. Im Jahr 2021 wurde Konstfack – eine Hochschule in Stockholm, die Industriedesigner und Innenarchitekten, Kunsthandwerker und Künstler ausbildet – 177 Jahre alt. Sie hat die Fähigkeit erworben, auf die Erfordernisse der jeweiligen Zeit einzugehen und Ideen aufzugreifen, die außerhalb der Schule entstehen, auch die des Bauhauses in Weimar und Dessau und des New Bauhaus – School of Design in Chicago, das von 1937 bis zu László Moholy-Nagys Tod 1946 bestand.[1]

Aber nur in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs lässt sich ein Einfluss des Bauhauses feststellen. Später, in der Nachkriegszeit, war das Bauhaus unter den Lehrer*innen der Konstfack kein Thema. Allgemeinere Vorstellungen von „Moderne“ und „Funktionalismus“ waren vorherrschend. Es ist schwierig, die Bauhausideen aus denen herauszufiltern, die von anderen Institutionen und Menschen kamen, etwa vom Deutschen Werkbund und all seinen Ausstellungen in den 1920er- und 1930-Jahren. Allerdings lässt sich ab den 1940er-Jahren eine Beschäftigung mit Fragen erkennen, die sehr an Themen erinnern, mit denen sich das Bauhaus auseinandergesetzt hat. Die Lehre an der Hochschule war in Fachbereiche (fack) unterteilt, die sich an Materialien orientierten: Metall, Keramik, Textilien, Möbel und Innenausstattung (d. h. Holz), Werbung und Buchherstellung sowie dekorative Malerei (Kunst für den öffentlichen Raum und Bühnenbilder) und Bildhauerei. Die Verschiebungen, die sich 1944 im Lehrplan vollzogen, spiegelten sich auch im Namen wider. Die Technische Schule (Tekniska skolan) wurde 1945 zur Kunstfachschule, zur Konstfackskolan.

Die Schule war 1844 als Sonntagszeichenschule für Handwerker*innen (Söndagsritskola för Handtverkare) gegründet worden. Der Künstler Nils Månsson Mandelgren erkannte, dass mit der Abschaffung des Gildensystems 1846 auch deren Ausbildungsangebote für Handwerker*innen verschwinden würden. Dennoch wurden künstlerisch geschulte Handwerker*innen benötigt, die technische Zeichnungen erstellen und aus Gusseisen Öfen und Nähmaschinen sowie aus Holz Möbel entwerfen, bauen und dekorieren konnten. Da die jungen Handwerker*innen auch einem Broterwerb nachgehen mussten, fanden die Unterrichtsstunden am Sonntagsmorgen statt, daher der Name.
Die Schule war auf dem Dachboden der Königlichen Kunstakademie untergebracht, doch sie musste auch finanziert werden. Darum wurde 1845 zu ihrer Unterstützung der Verein Svenska Slöjdföreningen (Schwedische Vereinigung für Werkkunst) gegründet,[2] deren Mitglieder zu den wohlhabenden und bekannten Bürgern der Stadt gehörten. 1846 übernahm der Verein die Schule, die nun allgemein Slöjdskolan (Werkkunstschule) genannt wurde. Sie zog in neue Räumlichkeiten um und erhielt einen neuen Schulleiter. Tausende besuchten die Schule, darunter ab Mitte der 1850er-Jahre auch eine beträchtliche Zahl junger Frauen. Die unverheirateten Töchter von Pfarrern, Geschäftsleuten und anderen mussten nun selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. Ihre Familien hatten keine Bauernhöfe, Landhäuser oder Geld und konnten die Töchter nicht unterstützen. An der Slöjdskolan erhielten sie unter anderem Unterricht in Geometrie und ihrer praktischen Anwendung, perspektivischem und Freihandzeichnen sowie Formgestaltung mit Wachs, Ton und Holz. Und sie konnten auch Zeichenlehrerinnen werden. 1859 begann der Staat, die Schule mit Stipendien zu unterstützen, die Stadt Stockholm gewährte ihr Mietzuschüsse. 1868 erhielt sie ein neues, speziell für sie entworfenes Gebäude mitten in Stockholm.

[1] László Moholy-Nagy kam 1923 als Lehrer ans Bauhaus und wurde 1936 Direktor des New Bauhaus in Chicago. Durch die amerikanische Künstlerin Adelyne Cross Ericson, die zunächst Studentin und später Lehrerin am New Bauhaus war, kamen Moholy-Nagys Ideen nach Schweden, wohin Ericson 1950 zog. Sie lehrte an der Grundis, einer Schule für künstlerische Grundlagen an der Universität Stockholm. Einige ihrer Studierenden kamen dann an die Konstfack und wurden später Kunstlehrer*innen oder Designer*innen.

[2] Während im 19. Jahrhundert das schwedische Wort „slöjd“ für alle Arten von Handwerk und Industriezweigen benutzt wurde, wird es heute mit der schwedischen Volkskunstbewegung in Verbindung gebracht.

Konstfacksskolan, Eingang des Gebäudes in der Mäster Samuelsgatan 44, 1953. Konstfack Archives DSF0145

1879 wurden die Slöjdskolan vollkommen neu organisiert und bei dieser Gelegenheit in Tekniska skolan (Technische Schule) umbenannt. Unter ihrem dynamischen Schulleiter Victor Adler erhielt sie ein neues, modernes Curriculum, dessen ästhetische Einflüsse vor allem aus der britischen Arts-and-Crafts-Bewegung kamen.[3] Pflanzen und Blumen sollten jetzt nach der Natur und nicht mehr aus Musterbüchern abgezeichnet werden. Die Lehrerschaft bestand zur Hälfte aus Frauen. Eine Generation von sehr talentierten Kinderbuchillustratorinnen, Textil-, Schmuck- und Glaskünstlerinnen sowie Mustergestalterinnen schloss um 1900 die Schule ab. Ihre innovativen Arts-and-Crafts-Produkte gehörten zu den besten Entwürfen, die je in Schweden entstanden waren.
Die Verbindung der Schule zur Schwedischen Vereinigung für Werkkunst war bereits 1879 zu Ende gegangen, als der Staat die Schule vollständig übernahm. Das hielt die Vereinigung nicht davon ab, die Schule zu kritisieren. Die Lehrmethoden seien veraltet, und die Vereinigung erwartete ausgebildete Designer, die das Kunsthandwerk zu neuen Höhen führen würden.

[3] Daten und Fakten stammen aus unterschiedlichen Quellen, darunter der Artikel „KONSTFACKSKOLAN 100 ÅR”, Form 5/1946, S. 89.

Tekniska Skolan, Ausstellung anatomischer Zeichnungen von Studierenden, 1898. Konstfack Archives DSF0159

1913/14 engagierte sich eine neue Generation von Kreativen und Gelehrten im Vorstand der Svenska Slöjdföreningen: die Textilkünstlerin Elsa Gullberg (1886–1984), der Architekt Torsten Stubelius (1883–1963) sowie die Kunsthistoriker Erik Wettergren (1883–1961) und Gregor Paulsson (1889–1977). Sie waren gut über die Entwicklungen in Deutschland und über die Zusammenarbeit von Künstlern und Designern mit den Herstellern informiert. Die vier bereiteten eine Neuorganisation der Vereinigung vor und nahmen sich den Deutschen Werkbund zum Vorbild.[4]

Die Weißenhofsiedlung in Stuttgart war Teil der Werkbundausstellung 1927 und nahm entscheidenden Einfluss auf eine Ausstellung in Stockholm 1930, die ihrerseits dem Funktionalismus in Schweden zum Durchbruch verhalf. Doch die einzigen Studierenden der Technischen Schule, die an der Ausstellung teilnahmen, waren die Schüler*innen des Malers Olle Hjortzberg (1872–1959). Seine Unterrichtsinhalte galten als die einzigen, die den modernen Anforderungen der Ausstellung genügten. Seine Studierenden malten die Bühnenbilder für das Theater und gestalteten einige der Ausstellungspavillons. Die Kritik der Vereinigung für Werkkunst an der Technischen Schule wuchs. 1931 erklärte das Arbeitskomitee von Svenska Slöjdföreningen die Schaffung angemessener Richtlinien für die Lehre des Kunsthandwerks zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben.[5]

Der dynamische Gregor Paulsson, Generalbeauftragter der Stockholmer Ausstellung, Erik Wettergren, Direktor von Svenska Slöjdföreningen, und Hakon Ahlberg (1891–1984), Architekt und Mitglied der Vereinigung für Werkkunst, schickten dem Bildungsministerium einen Brief, in dem sie ihre Vorstellungen von einer modernen Design-, Handwerks- und Kunstausbildung erläuterten.[6] Der Brief wurde in der schwedischen Zeitschrift Form veröffentlicht. Hier ein Auszug: „Die Schule benötigt eine radikale Neuorganisation. Das moderne Kunsthandwerk erfordert viel eingehenderes technisches Wissen und tiefere Einblicke in Arbeitsmethoden und wirtschaftliche Bedingungen. Die Schüler*innen beziehen ihre Formen nicht aus einem Vorrat an Formen und Ornamenten verschiedener Stilrichtungen oder Moden, sondern streben danach, in erster Linie durch das intensive Studium der dem Material innewohnenden Möglichkeiten im Zusammenspiel mit Anwendung und Zweck eine künstlerische Wirkung zu erzielen.“[7] Die drei waren der Ansicht, dass die Materialien selbst der Ausgangspunkt sein sollten, ein Standpunkt, den auch die Bauhausleitung vertrat. Das war eine der größten Veränderungen im Vergleich zum 19. Jahrhundert und zu den 1900er-Jahren, als die wichtigsten Schwerpunkte die Stilgeschichte und dann die Abbildung der Natur waren.

[4] Der Vorstand des Werkbunds wurde ebenfalls verjüngt. Einige junge Architekten wurden gewählt. Henry van de Velde, der die Kunstgewerbeschule Weimar aus politischen Gründen verlassen musste, empfahl den jungen Architekten Walter Gropius als seinen Nachfolger. Auf diesen Vorschlag hin wurde Gropius der neue Direktor der Schule, der er den Namen „Bauhaus“ gab.

[5] Form 7/1933, S. 82. Das Magazin der Svenska Slöjdföreningen wurde nach der deutschen Zeitschrift Die Form benannt, die der Deutsche Werkbund 1925 bis 1934 herausgab. Das schwedische Magazin gibt es noch.

[6] „Skrivelse från Svenska slöjdföreningen ang. den konstindustriella undervisningens omorganisation“, Form 4/1933, S. 81–86.

[7] Form 4/33, S. 84–85.

Tekniska Skolan, Werkschau von Studierenden der Bildhauerei und Malerei, 1933. Konstfack Archives DSF0163

Die Schreiber stellten weitere Forderungen: „Der Methodik der künstlerischen Berufsausbildung sollte größte Aufmerksamkeit geschenkt werden, und dabei sollten die Erfahrungen führender ausländischer Handwerksschulen studiert werden. Die Schule muss deshalb mit Werkstätten und Laboren für jeden Beruf ausgestattet werden, und es ist wünschenswert, dass diese mit Werkzeugen ausgestattet werden, die in der Industrie- und Handwerkspraxis zum Einsatz kommen (…) Die Schulleitung sollte nach Möglichkeit in direktem Kontakt mit der Industrie und Handwerksbetrieben stehen. Studierende sollten ebenfalls so weit wie möglich mit der Umsetzung von Aufträgen aus Industrie- und Handwerksbetrieben zu tun haben oder sich mit der Gestaltung attraktiver und verkäuflicher Entwürfe befassen.“[8] Die Vorschläge entsprachen fast genau den pädagogischen Konzepten von Walter Gropius, der die Entwicklung von Prototypen für die Industrie forderte.

[8] Ebd., S. 85.

Doch die Entwicklungen in Deutschland waren ein Problem. Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus war Deutschland als Vorbild nicht mehr geeignet. Anfang 1933 veröffentlichte Wolf Joho einen langen Artikel über die kulturelle Reaktion in Deutschland. Er geht von einem Thema zum nächsten, von Malerei und Film zu Theater und Radio. Er beginnt mit dem Bauhaus, mit seiner Geschichte und den politischen Gründen für seine Schließung, und widerlegt dabei die konservativen Argumente der Nationalsozialisten eines nach dem anderen. „Die Frage, ob ein Dach flach oder geneigt sein soll, ist wohl kaum politischer Natur. Mit dem Sein oder Nichtsein des Bauhauses stehen ein deutscher kultureller Wert und eine wichtige Institution für die Ausbildung einer jungen Generation von Architekten auf dem Spiel.“ Und er hebt Beispiele für den Erfolg von Lehrenden und Studierenden bei verschiedenen Wettbewerben hervor, darunter den für die Bundesschule des ADGB in Bernau, bei dem Studierende und der Direktor des Bauhauses, Hannes Meyer, den ersten Preis gewannen.[9]

Die Lehrmethoden veränderten sich in Deutschland nach 1932 ebenfalls, vor allem, nachdem die Nationalsozialisten im Januar 1933 an die Regierung kamen. In dem Jahr erschien im Magazin Form eine Liste mit 20 Museumsdirektoren und Professoren, die gezwungen worden waren, ihre Stellung aufzugeben, darunter auch der berühmte Vorreiter der modernen Typografie, Jan Tschichold. Der Chefredakteur des deutschen Magazins Die Form wurde ebenfalls entlassen. Das schwedische Gegenstück Form merkt an, dass Gropius und Ludwig Mies van der Rohe den Deutschen Werkbund verlassen hatten, „der nun eine linientreue nationalsozialistische Führung hatte“[10]. Gregor Paulsson, Herausgeber von Form, distanzierte sich von der Entwicklung in dem Land, das ihm bis dahin so viel bedeutet hatte. Er kommentierte die nationalsozialistische, konservative Kritik an der Moderne: „In Schweden steht der soziale Nutzen im Mittelpunkt des Interesses, die Steigerung der Qualität im Kunsthandwerk. Und so ist es schon seit etwa 15 Jahren. Und nun betrachtet der Deutsche Werkbund die epochale Ausstellung in Stuttgart 1927 als großen Fehler. Ist das eine konzeptionelle Verwirrung oder eine Verfälschung?“, fragte sich Paulsson und fügte hinzu: „Wir haben immer daran geglaubt, dass unsere Arbeit an der Gestaltung hochwertiger Haushaltsgegenstände auch die Arbeit an einer kulturellen Demokratie ist.“[11]

Doch was bedeutete diese Veränderung für die Kunstgewerbeschulen? Der Schriftsteller Hans Rabén berichtete von einer Reise nach Hamburg und schrieb: „Der Zweck dieses Besuchs war es zu sehen, wie die Nazi-Pädagogik in der Praxis funktionierte.“[12] Sein Artikel trägt die Überschrift „Eine deutsche Kunstgewerbeschule unter dem neuen Regime“. Er ist ebenso kritisch wie ironisch: „Der berühmte frühere Direktor der Schule wurde hinausgeworfen. Der Grund dafür war seine Vorliebe für die moderne Kunst und dass seine Ideen dieselben waren wie die des früheren Bauhauses in Dessau.“ Hans Rabén weist in seinem Artikel darauf hin, dass diese Vorstellungen in Schweden unter dem Begriff Funktionalismus zusammengefasst werden. Der Übergang zur nationalsozialistischen Politik brachte keine neuen pädagogischen Konzepte mit sich, wie er feststellte. In den Schulen wurde wieder nach der Natur gezeichnet, und es wurden alte Gipsmodelle abgemalt, „statt vom Material auszugehen, wie es das Beispiel des Bauhauses zeigte“. Er berichtete weiter, dass Studierende regelmäßig in der Landwirtschaft mithelfen mussten, „gemäß der Blut-und-Boden-Ideologie der Nazis“. In den Architekturfakultäten „unterrichten sie, dass das Dach zwei Drittel der Haushöhe einnehmen und im Geist der nordisch-deutschen Volkskultur gestaltet sein soll“. In der textilen Gestaltung wurde das Garn nicht mehr gefärbt. „Pflanzenfarben gab es fast überhaupt nicht mehr, was komisch erscheint angesichts dieses Erdwurmkults, der nun in Deutschland praktiziert wird“, schrieb er.[13]

[9] Form 1/33, S. 10–11.

[10] Form 8/33, nicht nummerierte Seite.

[11] Ebd.

[12] Hans Rabén. „En tysk konstindustriskola under den nya regimen“, Form, 3/35, S. 66–69

[13] Ebd., S. 68.

In Schweden wurden die ersten Schritte zur Umwandlung der Technischen Schule 1936 unternommen. Eine Gruppe von Fachleuten wurde vom Bildungsministerium berufen, um die Neuorganisation zu planen. Ihr Vorschlag lag zwei Jahre später vor, wurde aber erst am Ende des Kriegs offiziell. Schon 1938 waren die Fachbereiche Architektur und Maschinenbau ausgelagert worden und bildeten ein eigenes technisches Institut in Stockholm. Sechs Jahre später erhielt der Rest der Schule einen neuen Lehrplan und einen neuen Namen, Konstfackskolan, den die schwedische Regierung 1945 offiziell bestätigte.
Nachdem die Umorganisation abgeschlossen war, gab es eine zweijährige Tagesschule für Industriedesign, die Konstindustriella Dagskolan (KD), die dreijährige Abendschule für Industriedesign, die Konstindustriella Aftonskolan (KA), sowie die zweijährige Hochschule für Industriedesign, die Högre Konstindustriella Skolan (HKS), für die sich die Studierenden bewerben mussten. Die dreijährige Ausbildung zum/zur Zeichenlehrer*in bildete eine eigene Einheit, die 1979 offiziell in Bildlärarinstitutet (BI, Institut für Kunstpädagogik) umbenannt wurde. In ihr werden alle möglichen Fächer unterrichtet, darunter Kunstpsychologie, visuelle Kommunikation, Kunstpädagogik, Architektur, Umweltwissenschaften und Semiotik.

Einige Studierenden bewarben sich für die Abendschule (KA), ein Modell, das es ihnen ermöglichte, tagsüber zu arbeiten. (1978 wurde die Abendschule geschlossen, als die Schule Universität wurde.) Es wäre vermessen zu sagen, die Abendschule ließe sich mit dem Vorkurs von Johannes Itten und László Moholy-Nagy am Bauhaus vergleichen. Aber die Studierenden erhielten dort eine gemeinsame künstlerische Grundlage und die Gelegenheit darüber nachzudenken, welchen Fachbereich sie für ihr weiteres Studium wählen wollten. Im Vergleich zum Bauhaus brauchten die Studierenden an der Konstfackskolan mehr Zeit, um ihren Abschluss zu machen. Aber sie waren jünger als die Studierenden am Bauhaus und konnten oft noch nicht auf vorhergehende gründliche Kunststudien zurückgreifen.

Konstfackskolan, Vizekanzler Åke Stavenow im Gipsabguss-Keller, 1946-1947. Foto: Gullers. Konstfack Archives DSF0141

1946 wurde Åke Stavenow zum Rektor der neu strukturierten Schule ernannt. Er folgte dem Architekten Dag Melin nach, der die Reform begonnen hatte. Åke Stavenow war einer der Fachleute, die das neue Curriculum erarbeitet hatten. An der Konstfackskolan, wie die Schule nun hieß, basierte die Lehre auf verschiedenen Materialien und Bereichen: Keramik, Metall, Textilien, Innenausstattung und Möbel (Holz), Werbung und Buchherstellung (Grafikdesign), Malerei und Bildhauerei. Die unterschiedlichen Abteilungen wurden zum Teil von Lehrenden geleitet, die für die künstlerische und berufliche Entwicklung der Studierenden verantwortlich waren, und teilweise von Handwerkern, die verschiedene Techniken unterrichteten. Das Modell entsprach also dem des Bauhauses. Neben den Fachleuten, die in den speziellen Bereichen unterrichteten, gab es noch Lehrende, die ganz allgemein ihr Wissen über Farbe, Form und Licht weitergaben, genau wie am Bauhaus.

Konstfackskolan, Carl-Axel Acking, Leiter der Abteilung für Möbelgestaltung und Inneneinrichtung, mit Studierenden (von links: Göran Flodholm, Lennart Ericsson, Åke Axelsson), 1957. Konstfack Archives
Konstfackskolan, Abteilung für dekorative Malerei, Modell des Bühnenbilds für Henrik Ibsens "TDie WIldente", Lars Gezelius, Marie-Louise Jansson and Bengt Edenfalk, 1951. Foto: Ateljé Wahlberg. Konstfack Archives DSF0152
Konstfackskolan, Abteilung für Möbelgestaltung und Inneneinrichtung, Elena Morales, Sven Rick und Kjell Wennerholm, 1952. Foto: Anna Riwkin. Konstfack Archives DSF0155
Konstfackskolan, Tischlerwerstätten, 1950. Foto: Ateljé Wahlberg. Konstfack Archives

In den Fachbereichen Keramik und Metall wurden auch Entwürfe für die Industrie gestaltet, während sich der Textilfachbereich auf das Weben und Handwerkstechniken konzentrierte. Nach dem Studienabschluss entschlossen sich aber einige ehemalige Studierende aus dem Textilbereich, Stoffmuster für die Industrie zu entwerfen oder sich in der Textilabteilung von NK[14] zu bewerben, die Astrid Sampe leitete.[15]

[14] NK (Nordiska Kompaniet) war ein großes Warenhaus in Stockholm, zu dem auch eine Möbelfabrik und ein Innenarchitekturbüro gehörten. Es nahm sowohl an Weltausstellungen als auch an großen Designausstellungen in Stockholm teil, zum Beispiel an der Stockholmer Ausstellung 1930. Vor der Pariser Ausstellung 1937 gründete NK seine Textilabteilung, die Astrid Sampe leitete.

[15] Astrid Sampe (1909–2002) begann ihre Studium 1928 an der Technischen Schule (Konstfack) und wollte Zeichenlehrerin werden. Nach zwei Jahren wechselte sie in den Fachbereich Textilien des Royal College of Art in London, wo sie sich mit frühen britischen Vertretern der Moderne anfreundete. Danach nahm sie ihr Studium an der Konstfack wieder auf und machte ihren Abschluss als Textildesignerin 1933. Sie war ihr Leben lang eine Anhängerin des Modernismus. An der Konstfack gab es noch mehr Studierende, die sich der Moderne zuwandten, darunter die Möbeldesignerinnen Greta Magnusson (verheiratete Grossman) und Margareta Köhler sowie die Silberschmiedin Sylvia Stave, und das trotz der altmodischen Lehrinhalte nach den Vorgaben von Svenska Slöjdföreningen, der Schwedischen Vereinigung für Werkkunst.

Konstfackskolan, Weberei, 1957. Konstfack Archives

Wie die Bauhäuslerin Otti Berger[16], die eine Zeit lang für den Unterricht in der Weberei am Bauhaus in Dessau verantwortlich war, interessierte sich auch Astrid Sampe sehr für industrielle Textilverarbeitungstechniken und neue Fasern wie Zellulose, Cellophan, Viskose, Rayon und Glasfasern. Otti Berger war 1929 nach Stockholm gekommen, um an einem elfwöchigen Kurs an der Johanna Brunssons vävskola teilzunehmen, der sogenannten Praktischen Stoffschule. Im letzten Teil des Kurses unterrichtete die Lehrerin Barbro Nilsson den Umgang mit Pflanzenfarben. Sie leitete später den Fachbereich Textilien an der Konstfackskolan.

Im Januar 1930 wurden Otti Bergers eigene Textilien im Rahmen einer Ausstellung über „radikale“, moderne schwedische Wohnarchitektur, die der in Deutschland ähnelte, in der Galerie Moderne in Stockholm gezeigt. Berger hatte Schweden schon verlassen und war zurück in Dessau, als die Ausstellung eröffnet wurde. Neben einer kurzen, aber positiven Meldung in der Zeitung Dagens Nyheter[17], gab es noch einen Artikel im Magazin Form 1930[18]. Später wurde Bergers interessanter und analytischer Artikel „Richtige Fasern am richtigen Ort“ im Magazin Spektrum, Arkitektur och samhälle[19] veröffentlicht. Sie beschreibt darin, welche Funktion Textilien in Räumen erfüllen sollten und wie Strukturen und Farben durch Materialien und Licht beeinflusst werden. Solches Wissen wurde auch von Astrid Sampe übernommen. Durch Bergers Aufenthalt und ihre Vorträge[20] in Stockholm 1929 lernten die schwedischen Textildesigner auch László Moly-Nagys Standpunkt kennen, der die Einzigartigkeit und haptischen Eigenschaften verschiedener Materialien betonte. (In den 1940er-Jahren wuchs das Interesse am Handweben sehr.) Für Vertreter der Moderne wie Astrid Sampe und die Studierenden der Konstfackskolan sollten Textilien zu der neuen, modernen, funktionellen Architektur passen. Kleine romantische Blumenmuster reichten nicht. In den 1950er- und 1960er-Jahren wurde die Anpassung an moderne Architektur mit großen, modernen Siebdruckmustern erreicht.

[16] Otti Berger (1898–1944) war 1927 nach Dessau gekommen, wo sie sich in der Architekturabteilung mit Textilien beschäftigte, die das moderne Neue Bauen sowohl funktionell als auch ästhetisch ergänzen sollten. Sie schuf unter anderem ein Alphabet der Materialien, das mit den Fingerspitzen von links nach rechts gelesen werden konnte.

[17] Dagens Nyheter, 19. Januar 1930.

[18] Form 1/1930, S. 127–132.

[19] Nr. 2, 1933. Spektrum, Arkitektur och samhälle war ein linksradikales Blatt mit Artikeln über Architektur, Wohnen und Stadtplanung.

[20] Hannes Meyer, der Direktor des Bauhauses in Dessau, hatte Otti Berger gebeten, während ihres Schwedenaufenthalts Vorträge über das Bauhaus zu halten.

Das neue Curriculum erforderte ein neues Gebäude für die unterschiedlichen Fachbereiche mit angemessenen Werkstätten und Ausstattungen. Die Königliche Baubehörde hatte einen Wettbewerb ausgeschrieben, den der Architekt Gösta Åbergh gewann. 1957 konnten die ersten Abteilungen einziehen. 1959 war die gesamte Schule fertig, die Studierenden waren eingezogen und die große Einweihung konnte stattfinden.

Konstfacksskolan, Valhallavägen 199 Eröffnung, 1959. Foto: K. E. Granath. Konstfack Archives DSF0157
Konstfackskolan, Valhallavägen 199, 1960er. Foto: Anna Riwkin. Konstfack Archives
Konstfackskolan, Bildhaueratelier im Valallavägen, 1960. Konstfack Archives

Genau wie beim Bauhaus waren die Studierenden hier am Entwurf neuer Möbel und Innenausstattungen beteiligt. Hier gab es nun gut ausgestattete Werkstätten, Vorlesungssäle, unterschiedliche Bereiche für verschiedene Handwerke und eine große Aula, die „das weiße Meer“ genannt wurde. Das erinnerte an eine große weiße Halle im vorhergehenden Gebäude. Das „weiße Meer“ wurde zum Veranstaltungsort vieler hochkarätiger Ausstellungen, lustiger Partys und berühmter Maskenbälle … Die Studierenden gründeten Bands wie am Bauhaus. Das jährliche Gärdes-Fest, bei dem neben der Schule Wettbewerbe im Drachensteigenlassen ausgetragen wurden, zog viele Menschen an. Die Kreativität blühte.

1978 wurde die Konstfackskolan zur Universität. Die Fachbereiche hießen nun Institute und wurden statt von Lehrer*innen von Professor*innen geleitet. Der Fachbereich Metall wurde aufgeteilt. Neben einem Bereich für Edelmetalle und Schmuck wurde auch ein Institut für Industriedesign mit einer eigenen Professur eingerichtet. Darüber hinaus bekam die Schule ein neues Institut für Farbe und Form (Färg och Form), in dem ein Drittel aller Seminare abgehalten wird, die mit Farbe, Form, unterschiedlichen Arten des Zeichnens von Modeskizzen bis zu perspektivischem Zeichnen, Abguss- und Maltechniken und anderem mehr zu tun haben. „Das Ziel ist es, die Vision und Fähigkeiten der Studierenden zu entwickeln und ihre Sensibilität zu stärken“, sagte der Künstler Gösta Wessel, der von 1990 bis 2003 an der Konstfackskolan unterrichtete. Er wollte den Studierenden nahebringen, wie das Erscheinungsbild von Farben und Formen von komplexen Kontexten beeinflusst wird[21], so wie es einst das Bauhaus getan hat. Außerdem stieg der Bedarf an theoretischem Unterricht. Bis dahin bestand der Lehrplan vor allem aus handwerklichen Techniken und der künstlerischen Ausbildung. Die Schwedische Nationale Agentur für Hochschulbildung beklagte, dass die theoretische Bildung an der Konstfack nicht ausreiche. So wurde eine Reihe von Lehrenden an die Schule berufen, um Fächer wie Kunstgeschichte und Designforschung zu unterrichten.

Im Zusammenhang mit der 150-Jahr-Feier im Jahr 1993 änderte die Konstfackskolan ihren Namen offiziell zu Konstfack, wie sie ohnehin schon seit Jahrzehnten genannt wurde. Das Jubiläum wurde unter anderem mit der Veröffentlichung eines umfangreichen Buchs gefeiert. Auch Gösta Wessel hatte dafür ein Kapitel geschrieben, in dem er seine eigenen Lehrerfahrungen auf das Bauhaus bezog: „Die Ausbildung an der Konstfack beruht auf einer traditionellen wie auch bewusst gewählten künstlerischen Basis (…) Wie das Bauhaus glauben wir im Fachbereich Farbe und Form, dass ein bestimmtes Grundlagenwissen über Farbe und Form für die künstlerische Entwicklung sehr wichtig ist (…) Die Unterrichtsstunden in freier Malerei am Bauhaus führten zu endlosen Diskussionen über die Rolle der Kunst und ihre Beziehung zu Technik und Design. Diese Diskussionen führen wir nun schon sehr lange, und sie werden hoffentlich auch in Zukunft weitergehen. Die gesammelten Erfahrungen aus dem Bauhaus und die Bauhaustradition des 20. Jahrhunderts sind für uns eine wichtige Wissensquelle.“[22] Gösta Wessel befasste sich intensiv mit den Farbtheorien sowohl von Johannes Itten als auch von Josef Albers und baute ein Farblabor an der Hochschule auf. Dort erforschte er unter anderem, wie Pigmente und Texturen von Bindern beeinflusst werden.

[21] Gösta Wessel. „The basis of art“, in: Widengren, Gunilla (Hg.), Tanken och handen, Konstfack 150 år, p. 47–48.

[22] Ebd.

Konstfack, aktuelles Schulgebäude. Konstfack Archives
Konstfack, Studio im aktuellen Schulgebäude. Konstfack Archives

2004 war die Konstfack gezwungen, ein anderes Gebäude zu beziehen. Die Werkstätten entsprachen nicht mehr den Gesundheitsvorschriften, aber einen Neubau konnte sich die Schule nicht leisten. Stattdessen wurde die alte Telefonfabrik der Firma Ericsson umgebaut und ist nun das neue Zuhause der Schule. Das Bauhaus musste, wie wir wissen, ebenfalls 1932 in eine Telefonfabrik ziehen, bevor es endgültig geschlossen wurde. Hoffentlich entgeht die Konstfack diesem Schicksal. Doch schon lange davor gab es Elemente der Bauhauspädagogik an der Konstfack. Der Künstler Nils Nixon unterrichtete in den 1950er-Jahren Morphologie und Wahrnehmung, was dem Unterricht von Moholy-Nagy ähnelte. An der Konstfackskolan hieß das Fach „Kunstpsychologie und Wahrnehmungsstudien“. Kunst-, Handwerks- und Designschulen sind keine geschlossenen Systeme. Sie beziehen sich auf Phänomene in ihrem zeitgenössischen sozialen Kontext. Das Bauhaus war nicht statisch und wandelte sich durch seine eigene, innere Entwicklung ebenso wie durch Ereignisse in der Außenwelt. Dasselbe gilt für die Konstfack.

Kerstin Wickman

(*1941) ist Journalistin, Autorin und emeritierte Professorin für Design- und Kunsthandwerksgeschichte. Als langjährige Herausgeberin des Magazins Form und Professorin bei Konstfack ist sie seit vielen Jahren an Debatten, Forschung und Lehre im Bereich Design und Kunsthandwerk beteiligt. Sie gilt als eine der führenden Bauhaus-Expertinnen Schwedens.