Issue number: 2
23 November 2022
Lesezeit: 6′
Shannan Clark
In den USA fasste das Ideal des Bauhauses erstmals mitten in der Weltwirtschaftskrise Fuß, als die Regierung von Präsident Franklin Delano Roosevelt mit ihrem New-Deal-Programm auf die andauernde Krise reagierte. Das Programm umfasste öffentliche Beschäftigungsinitiativen, große Infrastrukturinvestitionen und eine einfache Sozialversicherung. Ebenfalls zum New Deal gehörte die Arbeitsbeschaffungsbehörde Works Progress Administration mit einer besonderen Förderung für Künstler*innen, dem Federal Art Project (FAP). Das FAP gründete das Design Laboratory in New York als erste umfassende Schule für modernes Design in den Vereinigten Staaten, an der sich jeder einschreiben konnte.

Wie die Bauhauspionier*innen sah das Design Laboratory seine Mission nicht nur in der Entwicklung einer Pädagogik und eines Curriculums zur Ausbildung von Designer*innen, die die modernen ästhetischen Trends, Materialien und Produktionsmethoden technisch beherrschten und kannten. Es wollte vielmehr Designer ausbilden, die sich als Werkzeuge des sozialen Wandels und Wiederaufbaus verstanden. Im Kontext der USA in den 1930er-Jahren war das Bestreben, den New Designer zu erschaffen, mit den größeren Auseinandersetzungen über die Ziele und Einschränkungen der Sozialdemokratie des New Deal verwoben.

Während der fünf Jahre seines Bestehens bildete das Design Laboratory eine dynamische Verbindung zwischen der neuen Bürokratie für Kunst im öffentlichen Raum, dem experimentellen Modernismus der Avantgarde in Zeiten der Weltwirtschaftskrise, der Geschäftskultur der amerikanischen Industriedesignunternehmen, dem militanten Gewerkschaftswesen des Congress of Industrial Organizations (CIO) und der politischen Radikalität der sozialen Volksfrontbewegung.

Ein Mitarbeiter des Federal Art Project legt letzte Hand an das große Schild an, das die Eröffnung des Design Laboratory in New York City ankündigt. Beachtenswert ist, wie prominent die Namen der Kuratoriumsmitglieder der Schule dargestellt sind. Damit sollte die Legitimität der Schule betont werden. (Mit freundlicher Genehmigung der United States National Archives and Records Administration)
Lehrkräfte und Studierenden in den Werkstätten des Design Laboratory, Anfang 1936, kurz nach der Eröffnung der Schule. (Mit freundlicher Genehmigung der United States National Archives and Records Administration)
Nahaufnahme einer Frau, die in den Werkstätten des Design Laboratory arbeitet. (Mit freundlicher Genehmigung der United States National Archives and Records Administration)

Von Anfang an improvisierten die Lehrkräfte des Design Laboratory, zu denen auch die Bauhausabsolventinnen Hilde Reiss und Lila Ulrich gehörten, sowohl bei ihrem Ansatz für die Designlehre als auch bei ihrem ständigen Versuch, aus der Schule eine rentable Institution zu machen. Sie legten den Schwerpunkt aufs Experimentieren und bezogen ihre Inspiration von dem pragmatischen Pädagogen John Dewey, dessen pädagogische Innovationen schon die Entwicklung der Bauhausmethoden beeinflusst hatte. In den frühen Kursen wurde viel Wert darauf gelegt, die Studierenden mit einer großen Bandbreite von Medien und Techniken vertraut zu machen, und es wurden viele designerische Fertigkeiten gelehrt, um den Anforderungen der Industrie zu entsprechen.

Anstelle der „bestehenden künstlichen Unterscheidung zwischen Innenarchitektur und der Gestaltung von mechanischen Objekten“, so war in einer der frühen Mitteilungen der Schule zu lesen, sollten die Klassen „gemäß heutigen Trends bei Herstellung und Design zusammengestellt werden. Auf diese Weise werden Holz, Metall und Kunststoffe als Einheit behandelt.“ Als das erste Jahr zu Ende ging, konnte das Design Laboratory in einer weiteren Mitteilung noch immer von sich behaupten, in den USA weiterhin die einzige Schule zu sein, die „koordiniert die Standards von Geschmack und Stil präsentiert, die sich in anderen Ländern im sog. International Style entwickelten“, obwohl es nicht beabsichtigte, „Dogmen über Funktionalismus und modernes Design weiterzureichen“.

Programme zur Demokratisierung der amerikanischen Kultur

Obwohl das Design Laboratory seine Existenz dem FAP verdankte, stellten Lehrende und Studierende schnell fest, dass ihre Vorstellung von der Entwicklung der Schule nicht mit der der behördlichen Verwaltung übereinstimmte. FAP-Direktor Holger Cahill und andere in der Agentur hofften, dass das Laboratory kompetentes Personal für ihre im ganzen Land verteilten Programme zur Demokratisierung der amerikanischen Kultur hervorbringen würde, doch sowohl das Lehrpersonal als auch die Studierenden reagierten verhalten auf die Idee, New York zu verlassen, um in abgeschiedene Ortschaften im Hinterland zu ziehen. Auch der zeitliche Status des FAP als temporäre Agentur zur Linderung der Arbeitslosigkeit führte zu Spannungen, denn es war dem Laboratory so nicht möglich, Curricula für mehrere Jahre zu erarbeiten, die zu einem akademischen Abschluss führten.

Außerdem musste die Schule in der Mehrzahl Lehrende anstellen, die die Voraussetzungen erfüllten, um Anspruch auf eine staatliche Beschäftigungsmaßnahme zu haben. Bereits 1936 organisierten sich Mitarbeiter*innen und Studierende, um das FAP dauerhaft zu etablieren, und nahmen an militanten Demonstrationen inklusive Streiks und Besetzungen teil, um zu versuchen, Lohnerhöhungen für Arbeiter*innen im öffentlichen Dienst durchzusetzen und den Verlust von Arbeitsplätzen zu verhindern. Als die Bundesregierung Mitte 1937 die Finanzierung aller New-Deal-Programme und auch des FAP zusammenstrich, setzte die FAP-Verwaltung das Design Laboratory auf die Liste der Projekte, die beendet werden sollten.

Studierende des Design Laboratory im ersten Durchlauf des Grafikdesignkurses der Schule, Anfang 1936. (Mit freundlicher Genehmigung der United States National Archives and Records Administration)
Frau bei der Arbeit in den Werkstätten des Design Laboratory. (Mit freundlicher Genehmigung der United States National Archives and Records Administration)
Studierende bei der Arbeit in der Werkstatt des Design Laboratory, Anfang 1936. (Mit freundlicher Genehmigung der United States National Archives and Records Administration)

Um das Weiterbestehen des Design Laboratory zu ermöglichen, sorgte eine Gruppe von Lehrenden und Studierenden unter der Leitung von Dekan William Friedman dafür, dass die Federation of Architects, Engineers, Chemists, and Technicians (FAECT), eine radikale Angestelltengewerkschaft, die mit der neu gegründeten CIO verbunden war, die Schule förderte. Der Betrieb unter der Schirmherrschaft einer Gewerkschaft wirkte sich in einigen wichtigen Punkten befreiend aus. Im Herbst 1937 erstellte die Fakultät ein vollständiges Vierjahrescurriculum, zu dem auch ein einführendes Materiallabor nach dem Vorbild des Vorkurses am Bauhaus sowie eine zweisemestrige Design-Synthese-Veranstaltung gehörten, die die Studierenden mit verschiedenen Ausprägungen moderner Stile und Techniken bekannt machen sollte. Außerdem richteten sich die Lehrkräfte und die Studierenden ideologisch stärker an der FAECT als am FAP aus und verfeinerten ihr Konzept von der New Designer im Kontext der radikalen Politik der Volksfront. Die neue Erklärung der Schulprinzipien hob unter anderem hervor, dass die „Massenproduktion, die vom Massenkonsum abhängt, Entwürfe erfordert, die die sozialen Bedürfnisse des Konsumenten berücksichtigen“. Designer*innen sollten „so wenig Gewicht wie möglich auf Verzierungen legen“ und „beliebige“ dekorative Elemente vermeiden, die „keine genetische Verbindung zu den funktionalen und mechanischen Eigenschaften eines Objekts hatten, deren Oberflächen sie auf künstliche Weise schmücken“.

Die Kunsthistorikerin und -kritikerin Elizabeth McCausland, eine leidenschaftliche Unterstützerin des Design Laboratory, die schließlich auch dort lehrte, bekannte, dass „das originale Bauhaus, das ja noch in seinen Anfängen steckte, etwas unter der romantisch-individualistischen Selbstdarstellung der genialen Männer litt, die es gegründet und geführt haben“. Im Gegensatz dazu waren Studierende und Lehrende des Design Laboratory der Auffassung, dass „die schönste Architektur, Kunst und Design nicht von einem Individuum erschaffen werden, sondern aus der Kombination von Talenten und Techniken Einzelner innerhalb der umgreifenden Hülle sozialer Beziehungen entstehen“.

Uhren, die von den Studierenden des Design Laboratory hergestellt wurden, Anfang 1936. Die frühen Arbeiten der Studierenden reflektieren noch immer die aufkommende moderne Pädagogik und das Curriculum der Schule in ihren ersten Semestern. (Mit freundlicher Genehmigung der United States National Archives and Records Administration)
Aschenbecher und passendes Zigarettenetui, entworfen von einem/einer Studierenden des Design Laboratory. (Mit freundlicher Genehmigung der United States National Archives and Records Administration)

Mit der Unabhängigkeit von den Vorgaben des FAP hatte das Design Laboratory auch viel mehr Raum bei der Vergrößerung des Lehrkörpers. Die Kerngruppe der Dozent*innen aus der ersten Zeit mit Friedman, Reiss, der Malerin Irene Rice Pereira und dem Produktdesigner Jacques Levy wuchs in den späten 1930er-Jahren, als unter anderem auch McCausland, Paul Rand, das Wunderkind des Grafikdesigns, der Wandmaler Burgoyne Diller, der Industriedesigner Peter Schladermundt, der Maler László Matulay und der Möbeldesigner Törben Muller dazukamen.

War die Zahl der Studienanfänger*innen ohnehin schon hoch, als das Studium unter dem FAP noch gratis war, so nahm sie unter der Förderung der FAECT nochmals zu, als die Schule begann, eine geringe Studiengebühr zu erheben. Ende 1937 erreichte sie mit 400 Studierenden den Höchststand. Unglücklicherweise erforderte die finanzielle Instabilität der Gewerkschaft 1938 eine erneute Umorganisation, und das Design Laboratory wurde zu einer unabhängigen kooperativen Institution. Sie wurde formal in Laboratory School of Industrial Design umbenannt und erhielt vom New York State Board of Regents die Genehmigung, Bachelorabschlüsse zu vergeben.

Obwohl die Lehrenden die Pädagogik und das Curriculum immer weiter ausbauten und verbesserten, war die Schule schließlich dem Untergang geweiht, nachdem eine Fundraising-Kampagne im Herbst 1939 fehlgeschlagen war. Sie musste ihren Betrieb im folgenden Frühjahr einstellen und ihre Lizenz an den Bundesstaat zurückgeben. Die Dozent*innen und Studierenden (darunter vor allem Designer Don Wallance und Innenarchitektin Suzanne Sekey) wurden in der Kulturindustrie und Hochschulen der USA verstreut und nahmen die Erfahrungen aus dem Laboratory mit in ihre zukünftige kreative Arbeit als Künstler*innen, Lehrer*innen und Kritiker*innen in der Mitte des 20. Jahrhunderts.

Broschüre des Design Laboratory aus dem Sommer 1937, gleich nach dem Ende der öffentlichen Finanzierung der Schule und ihrer Umorganisation unter der Förderung einer Gewerkschaft. Auffällig ist das modernistische Motiv eines Designers/Arbeiters am unteren Rand. (Mit freundlicher Genehmigung des Cooper-Hewitt National Design Museum, New York)
Eine Collage aus Arbeiten von Studierenden aus dem Design-Laboratory-Katalog von 1938, der die immer fortschrittlichere Pädagogik und das entsprechende Curriculum widerspiegelt. (Mit freundlicher Genehmigung des Cooper-Hewitt National Design Museum, New York)
Ein Beispiel für eine experimentelle Studierenden-Skulptur aus dem Einführungskurs des Design Laboratory, das als Teil der Bauhaus-Retrospektive im Museum of Modern Art in New York Ende 1938 ausgestellt wurde. Gastkurator Herbert Bayer fügte der Ausstellung Experimente Studierender hinzu, um den fortgesetzten Einfluss der pädagogischen Innovationen des Bauhauses zu demonstrieren. (Mit freundlicher Genehmigung des Museum of Modern Art, New York)

Da die Klimaentwicklung im frühen 21. Jahrhundert nach einem Green New Deal ruft, bleiben das Vorbild des Design Laboratory und seine Mission, den New Designer hervorzubringen, die in der Lage sind, auf die komplexe soziale Krise mit einer nachhaltigen materiellen Kultur für eine Sozialedemokratie zu reagieren, bis heute äußerst relevant.

Shannan Clark
ist promovierter Historiker und unterrichtet eine Reihe von Kursen über die Geschichte der modernen Vereinigten Staaten. Bevor er 2008 an die Montclair State University kam, lehrte er an der Tulane University, der University of Missouri in St. Louis, der Columbia University, dem Van Arsdale Labor Center des Empire State College (SUNY) und der Princeton University. Seine Forschungsarbeiten befassen sich mit der Entwicklung der Angestelltenarbeit in den Vereinigten Staaten im 20. Jahrhundert, wobei er sich besonders auf die Arbeitsbeziehungen in der Kulturindustrie, einschließlich Werbung, Printmedien, Rundfunk und Design, konzentriert. Er ist der Autor von "The Making of the American Creative Class: New York's Culture Workers and Twentieth-Century Consumer Capitalism."