Das Black Mountain College (BMC) war eine experimentelle, interdisziplinäre Hochschule am Fuße der Blue Ridge Mountains von North Carolina. Die wegweisende Lehr- und Lerneinrichtung wurde im September 1933 mit 12 Lehrenden und 22 Studierenden gegründet. 1957 wurde sie aufgrund von sinkenden Studierendenzahlen und finanziellen Schwierigkeiten aufgelöst. Neben der WChUTEMAS und dem Bauhaus gehört das College zu den einflussreichsten Bildungsexperimenten des 20. Jahrhunderts. Unter den Beteiligten befinden sich bemerkenswert viele bekannte Kulturschaffende von Anni Albers bis John Cage, von Richard Buckminster Fuller bis Cy Twombly, von Beaumont Newhall bis Ruth Asawa. Bis heute prägen die Ideale und die Methoden des BMC eine Vielzahl von progressiven Bildungsmodellen, ebenso die bildende Kunst.
Den Impuls für die Neugründung lieferte ein inneruniversitärer Streit Anfang der 1930er-Jahre am Rollins College in Winter Park, Florida. Dieser entzündete sich an der Verabschiedung eines neuen Lehrplans, der auf dem Achtstundentag beruhte. Vorlesungen und Vorträge wurden abgeschafft; Zeit und Raum für selbstständiges Forschen, Studieren oder Lernen gab es nicht mehr. Gegen dieses als Fließbandstudium empfundene Modell begehrte der klassische Altertumswissenschaftler John Andrew Rice gemeinsam mit anderen Kolleg*innen und Studierenden auf. Es folgte bald darauf die Entlassung des Professors und all derjenigen, die sich mit ihm solidarisiert hatten. Die Frage nach einer idealen Hochschule, die immer wieder diskutiert worden war, wurde damit auf einmal aktuell.
Bei der Gründung des BMC hatten Rice und seine Mitstreiter*innen eine viel präzisere Vorstellung davon, was eine Hochschule alles nicht sein dürfte, als davon, wie sie sein müsste. So war der Plan zunächst, ein neues, auf dem Prinzip der absoluten Unabhängigkeit beruhendes Hochschulmodell in der Praxis zu erarbeiten. Eine „enge kleine Welt“ mit viel Besuch schwebte ihnen vor. Das werdende College verstand sich weniger als eine Einrichtung denn als die erste Realisationsstufe einer noch zu findenden Form. Am Prozess der Formfindung beteiligten sich zahlreiche Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Studierende, darunter viele Geflüchtete aus Deutschland und Mitteleuropa. Unter ihnen befanden sich etwa Josef und Anni Albers sowie Xanti Schawinsky, Walter Gropius und Lyonel Feininger, die am Bauhaus tätig gewesen waren. Auch der Mathematiker Max Dehn, der Psychiater und Philosoph Erwin Straus, die Tänzerin Elsa Kahl, der Dirigent Heinrich Jalowetz und die Musikwissenschaftlerin Johanna Jalowetz zählten zu den Emigrant*innen, welche die europäische Moderne nach Black Mountain brachten.
Im Geist des US-amerikanischen Philosophen John Dewey, für den das Erwerben demokratischer Werte von einem erfahrungs- und handlungsorientierten Lernen abhängig war, legte das Modell BMC keinen Wert auf einen ausgewogen zusammengestellten Lehrplan. Gleich, ob Altertumskunde oder Quantenphysik: Nicht die Inhalte bildeten, sondern die im Umgang mit ihnen entstehenden Erfahrungen. Dass sich fachlich gesehen die erste Professor*innenschaft des BMC willkürlich konstituierte, war Rice daher unwichtig, ebenfalls die Tatsache, dass der Lehrplan von der stets fluktuierenden Zusammenstellung und Stimmung der Gruppe abhing. Wichtig war ihm, demokratisches Verhalten zu schulen – als Mittel und Zweck zugleich. Das einzige Fach, das er aufgrund seiner prozessorientierten Methodik zumindest in der Anfangsphase für unabdingbar hielt, war die bildende Kunst.
Den Studierenden wurde empfohlen, möglichst viele wissenschaftliche wie künstlerische Kurse zu besuchen und sich auch handwerklich weiterzubilden. Einen festen Studienplan gab es nicht. Auch die zwei späteren Rektoren Josef Albers (1941–1949) und Charles Olson (1951–1957) behielten diesen interdisziplinären, eigenverantwortlichen Ansatz bei. Insbesondere die ab 1944 stattfindenden Sommerakademien, die in der Geschichtsschreibung stets stark hervorgehoben werden, begünstigten diese auf Erfahrung und Experiment ausgerichtete Methodik. In diesem Zusammenhang entfaltete sich beispielsweise im Sommer 1952 um John Cage eine Situation, die nachträglich als das erste Happening bezeichnet wurde.
Die finanziellen Herausforderungen der Neugründung prägten das BMC ebenso stark wie die Menschen, die dort zusammen lebten, lehrten und lernten. Nach seinen Erfahrungen am Rollins College wollte Rice um jeden Preis auf eine Stiftungsstruktur und vor allem den damit verbundenen Stiftungsrat verzichten. Die Gefahr für die wissenschaftliche Freiheit, die die vielen, in Stiftungsräten und Verwaltungspositionen amtierenden „Geschäftsmänner“ in den USA darstellten, war ihm bewusst. Da er die berufs- und ergebnisorientierten Leistungsstrukturen des Staates ablehnte, kamen Staatssubventionen auch nicht infrage. So war die Schule auf Schenkungen, Zuwendungen und Studiengebühren angewiesen. Aufgrund des fehlenden Stiftungsrats waren die Mittel eher bescheiden und meist zweckbestimmt. Dies setzte eine Professor*innenschaft voraus, die wenig verdiente, und Studierende, die viel bezahlten. Von Beginn an hatte das College mit finanziellen Nöten zu kämpfen. Schließlich führten diese zu dessen endgültiger Auflösung.
Inwiefern das BMC seine Ziele erreichen und seine Vision verwirklichen konnte, bleibt umstritten. Laut dem Mitbegründer und Spiritus Rector Rice sei das Vorhaben an der Voraussetzung eines noch nicht vorhandenen künstlerischen Subjektes gescheitert. Der letzte Rektor Charles Olson hingegen war der festen Überzeugung, dass der 1933 in Gang gesetzte Prozess ein fortlaufender sei. Selbst nach der physischen Auflösung des BMC lebe das wegweisende Experiment in den über 1000 daran Beteiligten weiter. Weniger umstritten ist die bleibende Bedeutung des Experiments. Davon zeugt allein die Anzahl der Künstler*innen und freien Bildungsinitiativen, die sich auf das College und dessen Mitwirkende berufen.