Der Fachbereich Architektur an der Polytechnischen Universität Tirana, der 1957 als Teil des Fachbereichs Bauwesen entstand, arbeitete zunächst mit einem Curriculum und einer Methodik, die stark von der konstruktivistischen Tradition beeinflusst waren, wie sie in der Sowjetunion und anderen sozialistischen Ländern und bis zu einem gewissen Grad auch von Hannes Meyer mit seinen kommunalen Wohnprojekten gelehrt wurde. Als einzige Institution, die in der kommunistischen Zeit in Albanien Architektur unterrichtete, konzentrierte sich die Schule vor allem auf technische Fächer. Trotz der ideologischen Zwänge, denen sich die Schule bei ihrer Arbeit unterwerfen musste, half der Fachbereich Architektur, viele kreative Sichtweisen auf den modernen Kanon zu eröffnen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Dutzende albanische Studierende in die Länder des Ostblocks gegangen, wo die konstruktivistische Bewegung und in gewisser Hinsicht auch das Bauhaus Spuren hinterlassen hatten. Mit ihrer Rückkehr nach Albanien brachten die Studierenden das Wissen aus den sozialistischen Ländern, deren Universitäten sie besucht hatten, mit. Die technische Literatur, in der Stadtplanungsstandards beschrieben waren, wurde aus der Sowjetunion nach Albanien importiert. Es gab auch Bauhauseinflüsse auf Wohn-, Industrie- und öffentliche Architektur. Die grundlegenden Designkonzepte, etwa die Regeln für die Komposition, Proportionen, Baumaterialien, und standardisierte Raumaufteilungen für Wohn- und öffentliche Gebäude wurden in diesen Büchern in einer Weise dargelegt, die einige Ähnlichkeiten mit den Lehrprinzipien des Bauhauses aufwiesen.

Besim Daja (1923–2006), der 1957 den Fachbereich Architektur gründete und ihn bis 1988 leitete, war solch ein in der Sowjetunion ausgebildeter Student. Er schloss sein Studium 1951 in St. Petersburg ab und trug danach den Titel Ingenieur-Architekt. Damals wurde in Tirana erst ab dem dritten Studienjahr Architektur studiert: Der Schwerpunkt des Studiengangs dort lag eindeutig auf den Ingenieurwissenschaften. Die Absolventen trugen dann nach dem fünften Studienjahr den Titel eines Ingenieur-Architekten. Erst 1969 durften die Studierenden ab dem ersten Semester Architektur belegen. Die ersten 20 Studierenden mussten an einem Wettbewerb teilnehmen, um zum Studium zugelassen zu werden. 1974 erhielten die ersten Absolvent*innen ein Diplom in Architektur. 1984 gründete Enver Faja (1934–2011) den Fachbereich Stadtplanung, der von der Architektur getrennt war. Der Fachbereich Architektur und Stadtplanung (DAU) wurde 1993 gegründet. Obwohl das Ende der albanischen Isolation 1991 zu einer Neuorientierung des Curriculums führte (weg von der vorrangigen Ausrichtung auf technische Fragen), beruhte die Entwurfsmethodik immer noch vor allem auf Hand- und technischen Zeichnungen, was sich bis Mitte der 1990er-Jahre fortsetzte. Die Verbreitung von computergestützten Designprogrammen veränderte den Entwurfsprozess dann massiv und beeinflusste auch die Kreativität, die sich bis dahin auf die Herstellung von Originalhandzeichnungen beschränkt hatte.

Ernest Shtepani

(*1983) schloss sein Architekturstudium an der Polytechnischen Universität von Tirana ab. Seinen Master machte er 2010 an der Hochschule Anhalt in Dessau. 2019 promovierte er an der Tschechischen Technischen Universität in Prag. Das Thema seiner Dissertation war Energieeffizienz in städtischem Maßstab. 2014 bis 2018 arbeitete er als Stadtplanungsexperte beim Stadtentwicklungsministerium. Er ist auf die Themen Architektur und Energieeffizienz, Raumplanung und Architekturtheorie spezialisiert.

Strukturerkundung mit Bezug auf ein Gemälde von Paul Klee, Studierendenarbeit, Herbst 2017, Universität Epoka
Wasserfassade zur Kühlung des Gebäudes, neue Harnsäurefabrik (Uzina e Re e Uresë), Fier, Albanien, 1989, Aquarell des Architekten Artan Raça
Verschiedene Arten der volumetrischen Untersuchung, tanzende Volumen, inspiriert von Oskar Schlemmers Triadischem Ballett, Studierendenarbeit, Herbst 2014, Universität Epoka
Die Wahrheit eines Materials erforschen: Webtechniken, inspiriert von Anni Albers, Studierendenarbeit, Herbst 2018, Universität Epoka