Eine Künstler*innenwerkstatt nach den Prinzipien des Bauhauses aufzubauen, das hatte Sándor Bortnyik 1928 im Sinn: Unter dem Namen Mühely (ungarisch: „Werkstatt“), in der Anfangsphase auch Kis Bauhaus („Kleines Bauhaus“) genannt, gründete der Plakatkünstler in Budapest eine private Schule für angewandte Grafik und typografische Gestaltung. Etwa 100 Studierende wurden hier bis 1938 in den Fächern Werbegrafik, Typografie, Buchgestaltung oder Fotokunst ausgebildet.
Die Verbindung zum deutschen Vorbild findet sich nicht nur in der Bezeichnung der Kunstschule wieder. Bortnyik, der auf Einladung seines Landsmanns Farkas Molnár am Kongress der Dadaist*innen und Konstruktivist*innen in Weimar teilnahm, lebte anschließend von 1922 bis 1924 in Weimar. Er verkehrte dort im Kreis der Bauhäusler und deren prominenter Gastkünstler, besuchte den De Stijl-Kurs von Theo van Doesburg und interessierte sich für die Theaterwerkstatt von Oskar Schlemmer. Zurück in Budapest baute Bortnyik, geprägt von der praktischen Ausrichtung und dem Kollektivgedanken des Bauhauses, die Privatschule auf.
Er machte seine Studierenden mit verschiedenen Materialien, neuen Medien und Formen, mit der Vereinigung von Konstruktion und Komposition vertraut. Der Op-Art-Künstler Victor Vasarely, Absolvent der Mühely, beschrieb, wie er „Begriffe wie schrill, taub, zart, weich, ruhig etc. mit Formen, Farben und verschiedenen Werkstoffen bildnerisch“ ausdrücken sollte. Als Dozenten konnte Bortnyik unter anderen László Moholy-Nagy gewinnen, der nach seinem Ausscheiden aus dem Dessauer Bauhaus Vorträge in Budapest hielt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Sándor Bortnyik von 1948 bis 1949 Lehrer an der Hochschule für angewandte Kunst und anschließend bis 1959 Direktor der Hochschule für bildende Kunst in Budapest.